La Paz und El Alto sind die einzigen Städte in Bolivien, aber auch auf der Welt, soweit wir wissen, in denen sich Schuhputzer*innen vermummen, um nicht erkannt zu werden. Das Selbstwertgefühl ist deswegen bei vielen von ihnen gering. Dieses Phänomen, zusammen mit der Diskriminierung, die Schuhputzer*innen in ihrem täglichen Leben erfahren, hat wichtige Konsequenzen für sie selbst und ihr Umfeld. Durch die Gesellschaft können wir die Umwandlung von Menschen in Objekte sehen. Viele Menschen haben Angst vor Schuhputzer*innen, weil sie denken, sie seien gefährlich. Die Abwertung der eigenen Fähigkeiten, Potenziale und Fertigkeiten sowie die Verinnerlichung der Stigmatisierung sind bei Schuhputzer*innen stark zu spüren. Viele leben bereits einen großen Teil ihres Lebens mit Stigmatisierung und sehen keinen Ausweg aus dieser Situation. Vielmehr projizieren sie ihre Träume in die Zukunft ihrer Kinder, die ein besseres Leben haben sollen, als sie selbst gehabt haben.
Wir wagen den Blick hinter die Masken und wollen die Menschen in der direkten Begegnung kennenlernen. Hinter den Masken verbergen sich Väter, Mütter, Studierende, alte und junge Menschen. Mit unserer Arbeit wollen wir ihr Bild bei den Familienmitgliedern und der Gesellschaft im Allgemeinen verbessern, so dass die Schuhputzer*innen als produktive Menschen mit Entwicklungspotenzial gesehen werden. Darüber hinaus beziehen wir die gesamte Familie in den Arbeitsprozess ein, indem das Thema Diskriminierung in den Familien und in vielen Workshops angesprochen wird.
Heutzutage ist der Gebrauch der Maske allgemeine Praxis, auch wenn in den letzten Jahren vor allem Frauen und Senior*innen immer mehr die Masken ablegen. Dennoch ist die Angst vor Diskriminierung durch Familienangehörige, Freunde/Freundinnen, Lehrer*innen oder Nachbarn/Nachbarinnen noch sehr groß. Uns ist es wichtig, die Schuhputzer*innen in ihrem Bestreben nach gesellschaftlicher Anerkennung als Berufsgruppe tatkräftig zu unterstützen! So nehmen wir regelmäßig an ihren Sitzungen teil, bieten ihnen Seminare an zu Themen wie Stärkung des Selbstvertrauens und Selbstbewusstseins oder Arbeiten im Team und in Führungspositionen und unterstützen sie bei Projektanträgen oder bürokratischen Anträgen.
Mit unseren Projekten „Begib Dich in meine Schuhe!“ und „mit anderen Schuhen – alternativer Tourismus durch La Paz“ sowie durch Aufklärungskampagnen, aber auch durch öffentliche Aktivitäten, die einen Kontakt zwischen den Schuhputzer*innen und der Bevölkerung von La Paz herzustellen versuchen, möchten wir erreichen, dass Stigmatisierung und soziale Ausgrenzung ein Ende haben, und das Bild der Schuhputzer*innen in der bolivianischen Gesellschaft verbessern. Dazu ist der „Tag der Schuhputzer*innen“, der seit 2013 jedes Jahr am 02. Dezember in La Paz und El Alto gefeiert wird, ein wichtiger Schritt.