Zielgruppe unserer Arbeit
Wir unterstützen Menschen, die in La Paz auf der Straße Schuhe putzen und aufgrund ihres niedrigen sozioökonomischen Status und ihrer Arbeit in der Gesellschaft diskriminiert werden.
Saubere Schuhe stehen in La Paz für eine gute Herkunft. Diejenigen, die sie zum Glänzen bringen, stehen im sozialen Gefüge der Stadt auf der untersten Sprosse der Karriereleiter. Es gibt keinen anderen Ort auf der Welt, in der die Arbeit des Schuhputzens von der Gesellschaft so gering geschätzt wird wie in La Paz und der Nachbarstadt El Alto. Die gesellschaftliche Position der Schuhputzer*innen entspricht sozusagen ihrer Arbeitsposition – zu Füßen der Menschen, für die sie arbeiten. Mit Masken schützen sie sich vor den abschätzigen Blicken ihrer Klient*innen und vermeiden auf diese Weise gleichzeitig, von anderen erkannt zu werden; das geht manchmal bis hin zur eigenen Familie, die von dieser Tätigkeit nichts weiß.
Schuhputzer*innen arbeiten in Bolivien im informellen Sektor. Es besteht kein Arbeitsverhältnis, ihr Arbeitsplatz und Einkommen sind nicht offiziell geregelt und damit ungeschützt. Es zählt jede Stunde, um das Nötigste zu verdienen. Dabei spielen auch oft externe Faktoren eine wichtige Rolle: Arbeitsort, Altersgruppe, Häufigkeit und Zeitpunkt der Arbeit, klimatische Bedingungen, Demonstrationen, Ausgangssperren und Bauarbeiten, insbesondere die Stadtsanierung der Innenstadt von La Paz, beeinflussen die Höhe der täglichen Einnahmen. Als Folge der COVID-19 Pandemie wird deutlich, dass durch das Homeworking und den Ausfall des Schulunterrichts die Zahl der Lederschuhträger*innen und damit das Klientel der Schuhputzer*innen stark zurückgeht. Dieser Rückgang wird in Zukunft sich sicherlich auch weiter ausweiten und beeinflusst in direkter Form die Einkünfte der Schuhputzer*innen.
Diejenigen, die sich an zentralen Orten mit dem größten Zustrom von Menschen befinden und den ganzen Tag arbeiten, sind jene, die das höchste Einkommen von 30 bis 50 Bolivianos erzielen, einige sogar bis zu 80 bis 100 Bolivianos. (Einmal Schuheputzen kostet 1,50 bis 2,00 Bolivianos. 8,30 Bolivianos entsprechen zurzeit 1,00 Euro. Stand Oktober 2021). Diese Einnahmen zu erreichen, ist allerdings seit Ausbruch der Pandemie nicht mehr möglich. Die Gruppe, die weniger Einkommen generiert, sind vor allem Senior*innen, die noch teilweise bis zu ihrem 90. Lebensjahr Schuhe putzen und aufgrund ihres Alters die Arbeit nicht mehr so schnell erledigen können und dadurch weniger Kundschaft haben; ihr Einkommen beträgt oft nur 10 Bolivianos pro Tag. Somit ist die Arbeit des Schuhputzens mit ihrem geringen Einkommen kein positiver Indikator für Strategien zum Erhalt und zur Stärkung des Selbstwertgefühls von Schuhputzer*innen.
Der Gebrauch der Maske geht auf den Wettbewerb zurück, den die Schuhputzer*innen mit ihren Schuhputzkästen in der Hand den etablierten Schuhputzern mit Hochsitzen, in denen die Kliente*innen Zeitung lesen können, in den 80er-Jahren gemacht hatten. Als Folge des Neoliberalismus und der starken Inflation in den ersten Jahren der Demokratie nach der Diktatur war es zu großen Veränderungen in der bolivianischen Gesellschaft gekommen. Arbeitslosigkeit und Landflucht ließen den informellen Sektor rasant wachsen. In dieser Zeit traten die ersten Schuhputzer*innen mit ihren Kästen in Erscheinung. Sie nahmen für ihren Dienst lediglich die Hälfte des Preises und wurden so zu einer starken Konkurrenz für die Schuhputzer mit Hochsitzen. Um nicht von diesen erkannt zu werden, verbargen sie ihr Gesicht hinter einer Sturmmütze – der Beginn des Lebens hinter Masken. Die Masken wiederum festigten in den darauffolgenden Jahren viele Vorurteile. Schnell verbreitete sich die Auffassung, dass es sich bei dieser Gruppe u.a. um Kriminelle, Alkohol- und/oder Drogenabhängige handeln würde.
Um den Vorurteilen entgegenzuwirken, gründeten die Schuhputzer*innen in den 90er Jahren die ersten Schuhputzorganisationen und in 2007 die Föderation der Organisationen FUNDELPAZ. VAMOS JUNTOS arbeitet mit neun Organisationen und der Föderation zusammen; alle sind offiziell im Vereinsregister eingetragen. Die Schuhputzer*innen wählen regelmäßig ihre Vorstände, die für die Umsetzung gewisser Regeln zuständig sind und so das Verhalten der Mitglieder kontrollieren und auch sanktionieren können. Es gibt u.a. regelmäßige Sitzungen, einheitliche Uniformen, ein Alkoholverbot am Arbeitsplatz und in Arbeitskleidung. Jedes Mitglied einer solchen Organisation verfügt über einen festen Arbeitsplatz und kann so möglicherweise auch ein festes Klientel an sich binden; dadurch steigen natürlich auch die Einnahmen. Außerdem stehen die Mitglieder bei Problemen mit Klient*innen oder der Polizei nicht alleine da, sondern können Rückhalt aus der Organisation erhalten.
Nach wie vor gibt es aber auch weiterhin ambulante Schuhputzer*innen, die über keinen festen Arbeitsplatz verfügen und sich jeden Tag einen neuen Platz suchen müssen, an dem sie arbeiten können. Ihre Einnahmen liegen oft unter denen der organisierten Schuhputzer*innen.
Während in den 90er Jahren über 50% der Schuhputzer*innen minderjährig waren und viele von ihnen diese Arbeit schon als Kind aufgenommen hatten, sind es heutzutage während der Schulzeit weniger als 1%, die unter 12 Jahre alt sind, und weniger als 8% zwischen 12 und 18 Jahren. Viele Kinder kommen nur noch in den Ferien und ziehen oft für diese Zeit aus dem ländlichen Gebiet in das städtische Zentrum, um Geld zu verdienen und ihre Familie zu unterstützen.
Über 50% der Schuhputzer*innen sind zwischen 35 und 49 Jahren alt. Gründe dafür sind wirtschaftliche und soziale Faktoren, die sie daran hinderten, die Schule abzuschließen, eine Ausbildung oder ein Studium zu absolvieren, frühe Familiengründungen und der reduzierte Arbeitsmarkt im formellen Sektor für Erwachsene. Besorgniserregend ist in den letzten Jahren die steigende Zahl der Schuhputzer*innen im Alter von 60 bis 90 Jahren. Die staatliche Rente reicht nicht aus, um zu überleben. So sind diese Menschen auch noch im hohen Alter auf zusätzliche Einnahmen angewiesen. Auch der Frauenanteil unter den Schuhputzer*innen steigt in den letzten Jahren. Dabei handelt es sich oft um alleinerziehende, z.T. verwitwete Frauen. Für diese ist es deutlich schwieriger, eine andere Arbeitsstelle zu finden als für ihre männlichen Kollegen.
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